Die Grundlagen der Bahnlogistikprozesse mit SAP Transportation Management
In diesem Beitrag starten wir unsere Bahn Blog-Serie mit der Abbildung von Ressourcen, der Waggonplanung und dem Belegfluss. leogistics möchte in dieser Blog-Serie die Innovationen des SAP S/4HANA Transportation Management auf dem Gebiet der schienengebundenen Transporte zusammenfassen. In den nächsten Beiträgen legen wir den Fokus vor allem auf die Abbildung von Fahrplänen, die Routenfindung, Ladungskonsolidierung, Frachtkosten und das Reporting. An der einen oder anderen Stelle schlagen wir auch die Brücke zu leogistics Rail, um die vollumfängliche Prozessabbildung sicherstellen zu können.
Die Bedeutung der Eisenbahn für die Wirtschaft
Historisch gesehen war die Eisenbahn die Folge und gleichzeitig die Voraussetzung für die industrielle Revolution. Auch heute sind Eisenbahntransporte das Rückgrat einer leistungsfähigen Industrie. Je nach Wirtschaftsraum, geografischen Gegebenheiten und Regulierungen kann der Transport auf Schienen seine Vorteile gegenüber anderen Verkehrsträgern nutzen und kommt auf beachtliche Anteile am Modal Split, also der Verteilung des Gesamtverkehrsaufkommens auf einzelne Verkehrsmittel.
Leider wurde dieses Rückgrat lange Zeit durch den hohen Innovationsgrad der übrigen Verkehrsmittel immer weiter in den Hintergrund gedrängt. Abnehmende Anteile am Modal Split waren die Folge. Der Innovationsschub für die Eisenbahn blieb über Jahrzehnte aus. Erst eine Neuausrichtung der grenzüberschreitenden Vorschriften in der EU, ein Anwachsen des Transports von Massengütern sowie eine generelle Neuorientierung an umweltschonenden und nachhaltigen Transporten, rückten die Eisenbahn wieder in den Fokus bei Transportmittelentscheidungen.
Die Renaissance der Eisenbahntechnik
Der Innovationsschub in Eisenbahntechnik, Eisenbahninfrastruktur und im Eisenbahnbetrieb ließ nicht lange auf sich warten. Dennoch dauerte es noch fast zehn weitere Jahre, bis auch die IT-Systeme von produzierenden Unternehmen (und damit den Transportentscheidern auf tiefster Ebene) auf den Verkehrsträger Eisenbahn ausgerichtet wurden.
Die Möglichkeiten von SAP Transportation Management
Mit SAP TM wird ermöglicht, ein digitalisiertes Auftrags- und Frachtkostenmanagement abzubilden und damit Transportkosten zu senken und zugleich Material- und Warenflüsse zu optimieren. Die Bahn profitiert von der Konsolidierung aller prozessrelevanten Stammdaten. Dazu zählen Daten für Ressourcen, Fahrpläne, Geschäftsregeln und Frachtkosten. Der Vorteil der „Datenbündelung“ liegt in der Transportplanung, Prozesssicherung und Abrechnung. Ein weiterer Benefit liegt im hohen Grad der Integration mit SAP ERP oder S/4HANA.
Der Waggon als Transportmittel
Die Grundlage für einen Transport mittels Schiene ist sowohl im physischen als auch im systemischen der Waggon. Lange Zeit wurde dabei noch nicht mal eine Unterscheidung durchgeführt: Waggon war Waggon, lediglich das Fassungsvermögen in Tonnen galt als Unterscheidungsmerkmal.
Mittlerweile wird im System eine feingliedrige Unterteilung nach Gattung und Bauart der Bahnwaggons geboten. Die Fahrzeugarten gelten dabei als Schablone, welche das Fahrzeug beispielsweise in eine Dimensionskategorie einsortiert. Fahrzeuggruppen und Fahrzeugarten werden mit den zugehörigen Dimensionen und Gewichten über das Customizing gepflegt. Im Rahmen der Transportplanung und Ladungskonsolidierung werden die Transportmittel und Fahrzeugarten verwendet, um Prüfungen zu durchlaufen (z. B. ob bestimmte Frachteinheiten auf ein Transportmittel verladen werden dürfen oder nicht).
Restriktionen, die sich hier ergeben, werden in weiterer Folge mit Hilfe von Inkompatibilitäten abgebildet. Zusätzliche Kapazitäten können über Ladeabteile abgebildet werden, welche mit Hilfe von Profilen den Fahrzeugressourcen und Equipmentarten zugeordnet werden.
Ob offen oder gedeckt, Kühlwagen oder Flachwagen, ob Kesselwagen oder Sonderbauarten: Jede Waggonart wird systemisch korrekt erfasst. Der Transportplaner kann dadurch Entscheidungen auf der Ebene Equipmentgruppe bzw. Equipmentart treffen, wohingegen die Wageneinsatzplanung sogar Zugriff auf einzelne Bahnwaggons (Ressourcen) hat.
Die Waggoneinheit
Die Zuordnung von Fracht auf Waggons erfolgt mithilfe so genannter Waggoneinheiten. Das TM bietet die grundlegende Funktion, Transporterfordernisse aus dem SAP ERP in das TM überzuleiten und in Form von teilbaren Frachteinheiten abzubilden. Die Waggoneinheit ist eine Weiterentwicklung zur reinen Frachteinheit: Ist die Transportentscheidung auf die Eisenbahn gefallen, so kann anstelle einer Frachteinheit direkt eine Waggoneinheit angelegt werden.
Dies birgt folgende Vorteile:
- Waggoneinheiten bilden einen oder mehrere Waggons ab; unterstützt werden die Produktionsarten Einzelwagen, Waggongruppe und Ganzzug.
- In der Waggoneinheit können mehrere Hauptpositionen erfasst werden (wenn beispielsweise eine Mischbeladung von Waggongruppen oder Ganzzügen erfolgt).
- Die Waggoneinheit ist in (Transport-)Abschnitte unterteilt. Die einzelnen Abschnitte des Waggonlaufs können mehreren Bahnfrachtaufträgen zugeordnet werden. Dadurch können Transportketten von Einzelwagen oder die Traktionierung von Ganzzügen durch unterschiedliche Eisenbahnverkehrsunternehmen im System reflektiert werden.
Die Bestandteile der Waggoneinheit
Allgemeine Daten
Im Tab „Allgemeine Daten“ findet der Transportplaner allgemeine Informationen zu der Belegart, der Waggonanzahl, dem Planungsstatus und der Waggonbereitstellung. Weitere Angaben sind zu der Waggonkapazität (als Gewicht und/oder Volumen) und der Fracht (Frachtgewicht, Frachtvolumen, Menge, Auslastung in Prozent und Gefahrgut) enthalten. Darüber hinaus sind Informationen zum Transport (Gesamtentfernung, Bruttodauer etc.) sichtbar. Auch ist die Quelle (Startlokation) und das Ziel (Ziellokation) des Transports mit dem geplanten Abfahrts- bzw. Ankunftstermin inkl. Uhrzeit einsehbar.
Positionen
Der Tab „Positionen“ spiegelt die Beladung der Waggoneinheit wider und ist in die Hierarchie Waggon > Transportbedarf > Produkte gegliedert.
Der Transportplaner und der Wageneinsatzplaner haben den Beladungsplan der einzelnen Waggons dadurch immer im Überblick und sehen auch Details wie Positionsart, Menge, Bruttogewicht und Bruttovolumen des Ladeguts.
Abschnitte
In dem Tab „Abschnitte“ werden die Transportabschnitte von einer Quell- zu einer Ziellokation aufgeführt. Wie eingangs erwähnt, kann eine Waggonversendung mehrere Abschnitte im Einzelwagenverkehr aufweisen oder ein Ganzzug wird durch unterschiedliche ausführende EVU traktioniert. Jeder Bruch des Transports (Rangierbahnhof oder Traktionswechsel) wird im System durch einen Abschnitt reflektiert. Dies ermöglicht eine Detailplanung der gesamten Transportkette inklusive der im System hinterlegten Fahrpläne.
Der Aufbau der Transportkette kann dabei mit folgenden Abschnittsbestandteilen erfolgen:
- Quelllokation (= Startlokation) [Versandbahnstelle]
- (Frühestes) Wunschabholdatum und Wunschabholzeit [Zeitpunkt der frühestmöglichen Versendung nach Beladung des Waggons]
- Geplantes Abfahrtsdatum und Abfahrtszeit [Zeitpunkt der planmäßigen Abfahrt der Bedienfahrt an der Ladestelle bzw. planmäßige Abfahrt des Zuges aus der Versandbahnstelle]
- (Spätestes) Wunschlieferdatum und Wunschlieferzeit [Zeitpunkt der spätestmöglichen Annahme der Waggons beim Empfänger]
- Geplantes Ankunftsdatum und Ankunftszeit [Zeitpunkt der planmäßigen Ankunft der Bedienfahrt an der Zielladestelle bzw. planmäßige Ankunft des Zuges im Empfangsbahnhof]
- Spediteur [ausführendes Eisenbahnverkehrsunternehmen]
- Planungsstatus
- Ausführungsstatus
Statusübersicht
Der Tab enthält verschiedene transport- und belegspezifische Statusangaben:
Lebenszyklusstatus
STATUSWERT | TRIGGER |
---|---|
Neu | Dieser Status ist nur bei manueller Anlage der Waggoneinheit relevant |
In Bearbeitung | Status wird gesetzt, sobald die Planung der Waggoneinheiten durchgeführt wurde und bleibt aktiv, bis die Transportdurchführung abgeschlossen ist bzw. die Abrechnung der Waggoneinheit erfolgt ist |
Abgeschlossen | Sobald der Fakturierungsstatus „vollständig fakturiert“ gesetzt wurde |
Storniert | Waggoneinheit wurde storniert |
Planungsstatus
STATUSWERT | TRIGGER |
---|---|
Nicht geplant | Der Transportabschnitt wurde noch nicht geplant |
Geplant | Alle Transportabschnitte sind durchgängig geplant |
Geplant, Konflikte zw. Frachteinheit und Frachtauftrag / Buchungszeiten | Der Transportabschnitt ist geplant, jedoch sind zeitliche Konflikte im Zuglauf oder in der Transportkette (in Hinblick auf Vorgänger- und Nachfolger-Transportabschnitte) aufgetreten |
Nicht bereit für Planung | Es fehlen Bahnstellen der Transportkette, die Waggoneinheit kann noch nicht geplant werden |
Ladeplanstatus
STATUSWERT | TRIGGER |
---|---|
Nicht geplant | Initialer Status, vor der Planung |
Nicht relevant | Für diesen Transportabschnitt ist die Planung nicht relevant |
Invalidiert | Änderungen im Ladeplan (Es haben sich Änderungen auf Positionsebene ergeben) |
Geplant | Die Planung ist vorläufig abgeschlossen, allerdings kann der Plan noch aktualisiert werden |
Abgeschlossen | Die Planung ist abgeschlossen |
Ausführungsstatus
STATUSWERT | TRIGGER |
---|---|
In Ausführung | Die Frachtbriefe wurden erstellt und der Transport der Waggons wurde gestartet |
Ausgeführt | Der Transport ist vollständig abgeschlossen, die empfangende Bahnstelle hat die Ankunft gemeldet |
Storniert | Der Transport oder der Zuglauf wurden storniert |
Lieferstatus
Statuswert | TRIGGER |
---|---|
Nicht geliefert | Die Waggoneinheit wurde der empfangenden Bahnstelle (bzw. der empfangenden Ladestelle) noch nicht zugestellt |
Teilgeliefert | Die Waggoneinheit wurde teilweise zugestellt. Der Status kommt z. B. bei Wagengruppen vor, wenn erst einzelne Waggons der gesamten Gruppe zugestellt wurden |
Geliefert | Die Waggoneinheit wurde an die empfangende Bahnstelle zugestellt |
Zusätzlich ist in dem Tab „Status“ ersichtlich, ob für den Transportabschnitt eine Planungs-, Ausführungs- oder Fakturierungssperre vorliegt.
Der Belegfluss im SAP TM
In SAP ist es üblich, eine Übersicht des Belegflusses über alle beteiligten Systeme hinweg zu erzeugen. In der Waggoneinheit werden auf diesem Tabreiter alle Vorgänger- und Nachfolge-Geschäftsbelege des Transports angezeigt. Folgende Hierarchie steht dem Transportplaner zur Verfügung.
Ein Absprung in Vorsysteme oder in nachfolgende Geschäftsdokumente ist dadurch per Mausklick möglich.
Der Ausblick
Mit der Abbildung von Waggons und Waggoneinheiten haben wir die prozessuale Grundlage gelegt, um im Folgenden auf die Besonderheiten und Innovationen auf dem Gebiet des schienengebundenen Transports einzugehen mit SAP TM einzugehen.
Haben wir Ihr Interesse geweckt? Dann verfolgen Sie unsere Blogserie oder sprechen uns gleich direkt an.
Bei Fragen zu diesem oder anderen Themen im Blog wenden Sie sich gerne an blog@leogistics.com.
Nina Mallien
Matthias Platzer
Alexander Regin-Lück
Consultants SAP Logistics